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Medienmonopole gefährden Pressefreiheit in Bulgarien

Foto: БГНЕС
Die Weltwirtschaftskrise hat auch den Medienmarkt erreicht. Große Zeitungsverlage in der Welt waren nur einen Schritt von der Pleite entfernt. In Bulgarien sind Zeitungen und Zeitschriften aus den Kiosken verschwunden. Diejenigen, die sich retten konnten, haben die Auflage reduziert, was automatisch zu geringeren Einnahmen aus dem Anzeigengeschäft führt. Wie sieht es nun auf dem Medienmarkt in Bulgarien aus?

Die Zeitungsverlage und Fernsehsender in Bulgarien sind in den Händen weniger Unternehmensgruppen konzentriert. Zu dieser Schlussfolgerung kam eine Untersuchung des Meinungsforschungsinstituts Market links. Der Monopol in der Presse schränkt ihre Freiheit ein, alarmierte auch der Bulgarische Journalistenverband. Pentscho Hubtschew von der Friedrich-Ebert-Stiftung in Sofia spricht von zwei klar definierbaren Monopolen auf dem Medienmarkt in Bulgarien:

"Einerseits haben wir eine einseitige Berichterstattung über Regierung und Opposition. Außerdem stellen wir einen Monopol im Zeitungsvertrieb fest. Bekanntlich hält eine bestimmte Pressegruppe 80 Prozent des Zeitungsvertriebs in Bulgarien. Und bald wird eine bestimmte Pressegruppe die auflagenstärksten Zeitungen des Landes verlegen", meint Pentscho Hubtschew. "Das Meinungsforschungsinstitut Market Links hat 2010 eine landesweite Untersuchung durchgeführt und die sieben nationalen Zeitungstitel unter die Lupe genommen. Ministerpräsident Borissow ist 6625 Mal namentlich genannt worden, Innenminister Zwetanow – knapp 3000 Mal, und der Vorsitzende der oppositionellen Sozialisten Stanischew – gerade mal 1400 Mal. Zugleich waren die Berichte über den Regierungschef positiv oder höchstens neutral. Die Berichterstattung über die Opposition hingegen fast ausschließlich negativ. Eine so einseitige Berichterstattung gab es in der bulgarischen Presse seit der Wende nicht. Die Medien sind in den Augen der Öffentlichkeit keinen Korrektiv mehr und verlieren ihre Bedeutung als vierte Gewalt", kommentiert Hubtschew.

Die bulgarische Presse ist nicht in der Lage, sich aus der Verlagstätigkeit zu finanzieren. Das macht sie schwach und abhängig, behauptet der bekannte bulgarische Journalist Swetoslaw Terziew von der Sofioter Tageszeitung "Sega". Zugleich aber ist die Monopolstellung bestimmter Wirtschaftsgruppierung kein rein bulgarisches Patent – die Pressefreiheit und die Glaubwürdigkeit der Journalisten sind auch in anderen europäischen Ländern mit längerer demokratischer Geschichte als Bulgarien gefährdet. In Italien regiert Ministerpräsident Berlusconi über ein Medienimperium und dadurch über das Land. In Frankreich ist eine Bank auf dem besten Weg, ein Drittel des Medienmarktes zu kontrollieren. In Bulgarien kennt jeder den Namen der Bank, die die regelrechte Schnäppchenjagd auf Zeitungen mit Krediten finanziert. Der Staat hat nichts dagegen – durch den Pressemonopol werden die Medien ruhig gestellt, meint der erfahrene Journalist Swetoslaw Terziew.

"Der Pressemonopol in Bulgarien ist wirklich schlimm, weil er grob und übergreifend ist. Wir sprechen von Monopolstellung nicht nur in der Verlagstätigkeit, sondern auch im Vertrieb, im Druck und im Anzeigengeschäft", behauptet Terziew. "Über die Einnahmen aus den Anzeigen können die Medien sehr leicht manipuliert werden. Wenn die Einnahmen sinken, werden auch die Honorare zurückgeschraubt. Wenn man so in die Enge getrieben wird, wird man schnell gefügig. Dieses Rezept hat als erste in Bulgarien die WAZ-Gruppe Mitte der 90er Jahren ausprobiert, und zwar mit Erfolg. Der Essener Konzern wurde in Bulgarien über Jahre geduldet, obwohl die Wettbewerbskommission mehrmals gegen die WAZ ermittelte. Und trotzdem war sie Monopolist auf dem Zeitungsmarkt mit beiden auflagenstärksten Titeln "Trud" und "24 Chassa". Mit den regionalen Beilagen in diesen zwei nationalen Tageszeitungen schaltete sie die ohnehin schwache regionale Presse aus. Dann übernahm die WAZ auch die volle Kontrolle über den Zeitungsvertrieb. Diese barbarische Politik hätte sich die Westdeutsche Allgemeine Zeitung in Deutschland nie erlaubt. In Bulgarien war es aber möglich, dadurch Gewinne in Milliardenhöhe zu machen. Als die Wirtschaftskrise kam und dieses unverschämte Geschäft nicht mehr so gewinnbringend wurde, hat sie Bulgarien verlassen. Warum hat man so ein Verhalten jahrelang geduldet? Weil die Politik mit den Medienbossen unter einer Decke steckt, um die Öffentlichkeit zu manipulieren", kommentiert der Journalist Swetoslaw Terziew.

Redaktion: Vessela Vladkova
По публикацията работи: Rumjana Zwetkowa


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