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Die frühe Familiengründung unter den Roma – ein vorprogrammiertes soziales Problem

Foto: BGNES
Seit 2001 arbeitet das multiethnische Zentrum "Amalipe" für die Integration der Roma-Minderheit und für mehr Toleranz in unserer Gesellschaft. Die Nichtregierungsorganisation hat auch eine Untersuchung durchgeführt, um die Folgen der traditionell frühen Familiengründung bei den Roma zu analysieren. Die Untersuchung gibt ein reales Bild darüber ab, wie viele Eheschließungen und in welchem Alter sie stattgefunden haben und welche Motivation dahinter steht. Eine frühe Familiengründung schränkt die Möglichkeiten für eine berufliche Entwicklung der Frauen sehr stark ein. Fast immer bedeutet dies automatisch, dass die Mädchen die Schule verlassen. Ohne Schulabschluss ist an eine Weiterbildung oder berufliche Entwicklung erst gar nicht zu denken.
Zu diesen Erkenntnissen ist das Zentrum "Amalipe" gekommen, nachdem die Ergebnisse aus der Untersuchung ausgewertet wurden. Die Roma in Bulgarien sind rund 800.000, diese Minderheit bildet rund 10 Prozent der Gesamtbevölkerung Bulgariens. Das heißt, dass die Problematik durchaus ernst zu nehmen ist, sagt Dean Kolew von der Organisation. Das Durchschnittsalter, wenn die Roma heiraten und ihr erstes Kind bekommen, liegt bei 18 Jahren. Es gibt relativ viele Familiengründungen mit 11-12 Jahren, betont jedoch Dean Kolew.

"Eine frühe Familiengründung bedeutet fast immer Verzicht auf Ausbildung", sagt Dean Kolew. "Fast alle 16-jährigen Roma sind bereits verheiratet und fast ausnahmslos ohne Schulabschluss. Die Roma mit Hochschulabschluss heiraten frühestens mit 25, wobei wir festgestellt haben, dass nur die Hälfte von ihnen eine Familie gegründet haben", berichtet Dean Kolew weiter.

Die Roma-Minderheit besteht aus verschiedenen Gruppen. Unter ihnen sind große Unterschiede in den Traditionen und Verhalten zur Ehe festzustellen. Die Milleta-Zigeuner sind türkischsprachig und sehr traditionell. Sie heiraten spätestens mit 16. Die rumänischsprachigen Roma sind das andere Gegenteil – sie heiraten mit 21 Jahren relativ spät. Bei anderen Roma-Gruppen ist die frühe Familiengründung nicht unbedingt mit finanziellen Vorteilen zu erklären. Dabei handelt es sich viel mehr um eine konservative Haltung. Weiter sagt Dean Kolew vom multiethnischen Zentrum "Amalipe":

"Jene Roma-Familien, die arm sind und in kleinen Wohnungen leben, sehen die Heirat der Kinder als eine Möglichkeit, ihre Lage zu verbessern", erläutert Dean Kolew. "Das sind jene Familien, die am Patriarchalischen festhalten – einerseits aus Tradition, andererseits aus rein finanziellen Gründen. Das sind auch die Risikofamilien, wo meistens beide Eltern arbeitslos sind", sagt Kolew.

Die Aufklärungsarbeit ist ein möglicher Ausweg aus diesem Teufelskreis. Denn nur der Schulabschluss und die Lehre ermöglichen den Roma, eine Chance auf dem Arbeitsmarkt zu haben.
"Im Rahmen des Projektes haben wir zehn unterschiedliche Kampagnen organisiert", berichtet Kolew weiter. "Das Erfreuliche war, dass die Roma mitgemacht haben. Es handelt sich um meist junge Menschen, die nicht früh heiraten möchten, die zur Schule gehen und sich weiter bilden möchten. Uns war es entsprechend wichtig, diese guten Beispiele zu unterstützen, denn noch gelten sie in ihrer Gemeinschaft als bunte Vögel", sagt Dean Kolew.

Eine andere gute Initiative sind die so genannten Gesundheitsberater. Auch sie klären insbesondere die jungen Frauen auf, wie sie verhüten können, da sich die hohe Geburtenrate unter den Roma als ein soziales Problem entwickelt hat. Die Arbeitsvermittler helfen den Roma bei der Jobsuche. Dean Kolew und seine Organisation arbeiten daran, die Aufgaben der Gesundheitsberater und der Arbeitvermittler zu erweitern, denn die bisherige Erfahrung erwies sich als positiv. Problematisch ist die Finanzierung dieser Tätigkeit.

Übersetzung und Redaktion: Vessela Vladkova
По публикацията работи: Milka Dimitrowa


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