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Mangelnde Effizienz der bulgarischen Gesetzgebung

Eine aktuelle Studie belegt, dass die Bulgaren die einheimische Gesetzgebung auf einer Skala von 1 bis 6 mit „schwach“ – also mit 3 bewerten.
Foto: Archiv
Jedes Gesetz in Bulgarien wird im Durchschnitt zweimal pro Jahr novelliert und ist etwa neun Jahre gültig. Zu diesem Schluss kommt das Projekt „Juristik-Barometer“ des Zentrums für Rechtsforschung. Die Studie umfasst den Zeitraum von Januar bis Juni 2010. In diesen sechs Monaten verabschiedete die Volksversammlung 71 Gesetzesakte, darunter 6 neue Gesetze und 43 Novellen zu 39 geltenden Gesetzen. In Bulgarien würden die Gesetze zu intensiv novelliert, was rechtlich zu Instabilität und Unvorhersehbarkeit führt. Das wiederum senke das Vertrauen in das Parlament und sorge für berechtigte Zweifel an der Qualität der Gesetze. Dieser Meinung ist der Projektleiter Daniel Waltschew, Dozent an der Fakultät für Rechtswissenschaften der Sofioter Universität „Heiliger Kliment von Ohrid“, einstiger Abgeordneter und Vizepremier und Bildungsminister unter der Dreier-Regierung aus Sozialisten, Zaristen und ethischer Türkenpartei (BSP, NDSW, DPS) von 2005 bis 2009.

„Ein typisches Beispiel ist das Gesetz über Verteidigung und Streitkräfte – erklärt Daniel Waltschew in einem Interview für Radio Bulgarien. – Dieses wurde im Mai 2009 verabschiedet. Von September gleichen Jahres bis Februar 2010 wurde das Gesetz fünfmal novelliert. Ich weiß nicht, was es im Bereich der Verteidigung und Streitkräfte so Wichtiges gibt, das eine Gesetzesnovellierung im Sechs-Wochen-Takt erforderlich macht. Ähnlich liegt der Fall beim Gesetz über Radio und Fernsehen, das allein im ersten Halbjahr dieses Jahres viermal novelliert wurde.“

Wenn wir uns nur auf die untersuchten 39 Gesetze beziehen, die in diesen sechs Monaten novelliert wurden, können wir eine beeindruckende Dynamik feststellen. Seit ihrem Inkrafttreten wurden sie insgesamt 777 Mal novelliert, oder bei einer mittleren Gültigkeitsdauer von neun Jahren durchschnittlich 20 Mal.

„Der absolute Spitzenreiter ist das Gesetz über das Gesundheitswesen - ein sehr wichtiges Gesetz für alle bulgarischen Bürger. Das Gesetz wurde 2005 vollständig neu erlassen und bisher 35 Mal novelliert, d.h. durchschnittlich sieben Mal im Jahr geändert oder ergänzt – erklärt Daniel Waltschew. – Darüber hinaus zieht das Gesetz 74 untergeordnete Gesetzesakte nach sich. Gibt es überhaupt jemanden, der sich mit all diesen Gesetzesakten auskennt? Aus diesem Grund ist im Gesundheitswesen auch so ein Durcheinander.“

Gegenwärtig seien skandalöse, ungesetzliche Immobilien im Wassereinzugsgebiet von Stauseen und anderen merkwürdigen Gegenden, erbaut auf staatseigenen Gründstücken, in aller Munde und alle sind wir darüber scheinbar sehr überrascht, fährt Daniel Waltschew fort.

„Und worüber sind wir so sehr überrascht? Das Gesetz über territoriale Raumordnung, das alle diese Angelegenheiten regelt, wurde 2001 verabschiedet. Bis heute wurde es 44 Mal novelliert, d.h. durchschnittlich fünfmal pro Jahr. Ich verstehe diese Leute, die sich dessen bewusst sind, dass sie das Gesetz übertreten. Sie wissen, dass sich die Gesetze ständig ändern und warten ab, das diese Gesetze zu ihrem Vorteil novelliert werden. Zumal von der Volksversammlung nicht wenige Lobby-Gesetze gebilligt werden.“

Eine Mitte September durchgeführte MBMD-Studie im Auftrag des Zentrums für Rechtsinitiativen belegt, dass die Bulgaren die einheimische Gesetzgebung auf einer Skala von 1 bis 6 mit „schwach“ – also mit 3 bewerten. 50 Prozent der Befragten sind kategorisch, dass die häufige Novellierung eine Schwachstelle ist, wofür 41,4 Prozent der Befragten das Parlament verantwortlich machen.

Übersetzung: Christine Christov
По публикацията работи: Iliana Rajtschewa


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