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Roma-Integration tritt auf der Stelle

In Jambol, Südostbulgarien haben die Roma ein Plattenbauwohnblock eigenhändig zum Zusammenfallen gebracht, weil sie die Stahlarmaturen gezogen und als Alteisen verkauft haben.
Foto: BGNES
Spätestens seit der Wende in Bulgarien ist die Integration der Roma-Minderheit ein akutes Problem. Spätestens seit dem jüngsten EU-Gipfel, als die umstrittenen Roma-Abschiebungen aus Frankreich das ungeplante Hauptgesprächsthema wurden, wird über dieses Problem in seinem vollen Umfang gesprochen. Denn die Roma bilden die größte Minderheit Europas.

Unzählige Nichtregierungsorganisationen haben in den vergangenen 20 Jahren versucht, die Sozialisierung der Roma voranzubringen. Ihre Bemühungen blieben ohne nennenswerten Erfolg. Bulgarien gehört neben Kroatien, Tschechien, Ungarn, Mazedonien, Rumänien und der Slowakei zu den Initiatoren des auf zehn Jahren angesetzten internationalen Integrationsprogramms, das 2005 ausgerufen und bis 2015 andauern soll. Dadurch hoffte man, das Interesse der europäischen Öffentlichkeit auf das Problem zu lenken. Bulgarien hat zahlreiche nationale Programme und Initiativen erarbeitet, doch die Integration der Roma tritt einfach auf der Stelle.

Der bisher letzten Volkszählung von 2001 zufolge leben rund 370.000 Roma in Bulgarien. Die Dunkelziffer liegt jedoch bei mindestens 600.000. Laut Statistik sind 80 Prozent von ihnen arbeitslos, mehr als die Hälfte bezeichnen sich selbst als bettelarm. Die Roma spielen auf dem Arbeitsmarkt in Bulgarien kaum eine Rolle – der Grund ist einfach die fehlende Schulausbildung und auch der fehlende Wunsch der Roma, sich ausbilden zu lassen. Die wenigen, die arbeiten, sind nicht qualifiziert und bekommen natürlich niedrige Gehälter. Deshalb leben fast alle Roma-Familien von der niedrigen, dafür aber garantierten monatlichen Sozialhilfe. Viele Soziologen und Wirtschaftsexperten meinen, dass dies der Hauptgrund für die gescheiterte Integration der Roma in Bulgarien ist. Georgi Angelow und Latschesar Bogdanow, zwei angesehene Wirtschaftsexperten in Bulgarien, betonen auch das Kindergeld, das für viele Mütter unter den Roma als ausreichend angesehen wird, um nur davon zu leben. Es gilt als selbstverständlich, dass die Roma keine Kranken- und Sozialversicherungsbeiträge zahlen, betonen die Wirtschaftsexperten.

Die heutige Regierung will nun bei den Kindern anfangen und die Schulpflicht streng kontrollieren. Das einfachste Mittel ist, die Sozialhilfe für jene Familien zu streichen, die ihre Kinder nicht in die Schule schicken. Die Einführung der Vorschule für alle Kinder in Bulgarien ab 5 Jahren ist unter anderem auch an die Roma gerichtet – in der Hoffnung, dass die Kinder früher in die Schule kommen, noch bevor sie von ihren Eltern betteln geschickt werden. Ein weiterer Grund dafür, dass die Roma-Kinder nicht einmal den Hauptschulabschluss schaffen, ist die Tradition, früh zu heiraten und Kinder zu bekommen. Es ist keine Ausnahme mehr, dass 12-13 jährige Roma-Mädchen Mütter werden.

Die Großzahl der Roma in Bulgarien lebt unter miserablen Bedingungen und in Gettos. Strom und Kanalisation gibt es nur in den größeren Städten. Dort sieht man nur vereinzelt Häuser, die meisten Roma leben in selbstgebastelten Baracken. Und wollen dort nicht ausziehen. Das jüngste Beispiel ist aus Jambol, in Südostbulgarien. Dort haben die Roma ein Plattenbauwohnblock eigenhändig zum Zusammenfallen gebracht, weil sie die Stahlarmaturen gezogen und als Alteisen verkauft haben. Da kann man nur mit dem Kopf schütteln. Prompt sorgte die Zwangsräumung des Wohnblocks für Proteste und Spannungen – die Roma wollten ihre gefährlichen Plattenwohnungen nicht verlassen; die Einwohner der umliegenden Dörfer wollten die Roma nicht bei sich ansiedeln lassen, weil sie Angst haben, dass die Kriminalitätsrate schlagartig steigen wird. Und so leben die Roma-Familien in Zelten vor dem abgerissenen Wohnblock.

Die Verallgemeinerung ist jedoch nicht ganz korrekt. Natürlich gibt es auch Ausnahmen und bei weitem nicht alle Roma in Bulgarien verhalten sich asozial. Roma, die die Kraft hatten, die Gettos zu verlassen, haben sich erfolgreich integriert. Sie haben eine Ausbildung, gehen arbeiten und führen ein wenn auch bescheidenes, so doch normales Leben. Auf dem Land, wo die Landwirtschaft der wichtigste Broterwerb ist, sind sie für die Feldarbeit unentbehrlich. Solche Lebensgeschichten sind angesichts der problematischen Integration der Roma richtige Erfolgsgeschichten. Doch, leider immer noch die Ausnahme.

Übersetzung und Redaktion: Vessela Vladkova
По публикацията работи: Milka Dimitrowa


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