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Die Erfahrung Bulgariens: ein Beispiel für das multikulturelle Zusammenleben auf dem Balkan

Das Zusammenleben der verschiedenen ethnischen Minderheiten in Bulgarien ist im Vergleich zu andern europäischen Ländern beneidenswert gut. Dies stellte der Vorsitzende des Ausschusses für den Schutz vor Diskriminierung Kemal Eyupp bei der Internationalen Konferenz in Sofia fest, die unter dem Motto "Die Erfahrung Bulgariens: ein Beispiel für das multikulturelle Zusammenleben auf dem Balkan" gelaufen ist. Daran beteiligten sich Experten aus Albanien, Serbien, der Türkei und anderen Ländern. In seiner Rede betonte Eyupp, dass nach Angaben aus dem Jahr 2001 die Zahl der Bulgaren im Lande sich auf 83,9 Prozent, der Türken – auf 4,9 und der Roma auf 4,6 Prozent belief. Die weiteren ethnischen Minderheiten wie Armeiner, Juden etc. sind damals auf ca. 70 000 geschätzt worden. Seiner Meinung nach, gibt es in Bulgarien einen Dialog zwischen den einzelnen Religionen:

"Die Vertreter verschiedener ethnischen Gruppen feiern zusammen Familien- und Religionsfeiertage", sagte Eyupp. "Auch in der Nachbarschaft helfen sie einander, oft kann man die Geistlichen verschiedener Religionen zusammen bei einem Festmahl antreffen".

Laut Eyupp gibt es in Bulgarien keine Gefahr einer Kollision der Zivilisationen, ein Thema, das sehr stark im Moment diskutiert wird. Die bessere Alternative ist der interreligiöse Dialog. "Der Meinungsaustausch, die verschiednen Auffassungen und Ideen führen zu einer gegenseitigen Bereicherung", ist er überzeugt. Kemal Eyupp erinnerte auch daran, dass es in der Geschichte des Landes Momente der Freiheitseinschränkung und Verletzungen der Menschenwürde verschiedener ethnischen Gruppen gegeben hat. Es gab auch Assimilationspolitik. Aber das Leben war schon immer stärker und das Volk - weiser als alle Politiker. Nach der Wende von 1989 wurde sofort mit der neuen Verfassung des Landes auch der Grundstein des ethnischen Modells Bulgariens gelegt, indem man Antidiskriminierungstexte darin aufgenommen hat.

Ab dem 1. Januar 2005 trat in Kraft das Gesetz über den Schutz vor Diskriminierung. Gleichzeitig wurde auch eine Kommission zum selben Zweck gegründet, die als ein unabhängiges Organ fungiert. Dort werden Klagen nach 19 Kriterien bewertet, darunter Benachteiligung wegen ethnischer Zugehörigkeit, Religion, Nationalität u.a. sowie Ausgrenzung am Wohnort, in der Schule, im Beruf und im Bereich der Dienstleistungen. Laut Kemal Eyupp hat die Diskriminierung wegen der ethnischen Zugehörigkeit in den letzten Jahren nachgelassen, obwohl sie im Jahr 2006 an erster Stelle war. Bislang gibt es aber keine Klage wegen Unterdrückung der Religion. Die Meisten Beschwerden auf diesem Gebiet betreffen religiöse Sekten und ihre Verbreitung in Bulgarien. Was die Toleranz betrifft, betonte Eyupp, sei sie ein Teil der gesamten historischen Entwicklung des Landes und zwar mit sehr wenigen Ausnahmen. Oft ist sie aber der Duldsamkeit gleich gestellt.

"Den anderen nur zu dulden bedeutet nicht automatisch, dass man auch tolerant ist. Man muss die Menschen, die anders sind, als wir selbst so akzeptieren und sie nicht nur in unserer Umgebung dulden", sagte Kemal Eyupp weiter.

Nach Meinung des Direktors des Internationalen Zentrums für Minderheiten und interkulturellen Studien Antonina Scheljaskowa, sei die Toleranz in Bulgarien nicht richtig verinnerlicht worden, sondern basiert eher auf einer gut nachbarschaftlichen Koexistenz, was auch aus den seltenen Fällen von gemischten Ehen zu sehen sei. Aus etwa 2,5 Millionen Ehen sind nur 48 000 gemischt und zwar am seltensten kommen Ehen zwischen ethnischen Türken aus Bulgarien und Bulgaren vor.

"Es gibt vieles, worüber man in unserer Gesellschaft nachdenken kann", sagte sie. "Wir müssen uns im klaren sein, ob wir nur auf der Ebene des Alltags tolerant sind. Man muss das als etwas viel tieferes sehen. Wir müssen uns fragen, ob die Toleranz zu den Werten unserer Gesellschaft gehört. Die Gesetze sind schon gut, aber die Realität, die Art und Weise wie wir alle als Nation erscheinen, das ist wichtig und daran müssen wir noch alle arbeiten".

Übersetzung: Milkana Dehler
По публикацията работи: Tatjana Obretenowa


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