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Umweltaspekte zur geplanten Sofioter Müllfabrik

Trotz gewisser Fortschritte im Abfallmanagement landet in Bulgarien ein Großteil der organischen Abfälle nach wie vor auf der Müllhalde. Allerdings sind diese Abfälle eine tickende Zeitbombe. Denn, bedingt durch das Einebnen von Deponien, entsteht beim anaeroben Abbau der im Müll enthaltenen organischen Substanzen unter anderem gefährliches Methangas. So explodierte vor einigen Jahren in Istanbul eine Mülldeponie. Dabei kamen 12 Menschen ums Leben, 42 Häuser wurden zerstört.

Nicht nur wegen der Explosionsgefahr, sondern auch wegen drohender Sanktionen aus Brüssel beschleunigt man in den letzten Monaten in Sofia, wo landesweit die meisten Abfälle anfallen, den Bau einer Müllfabrik. Das Projekt umfasst den Bau einer Anlage zur mechanischen und biologischen Behandlung von Haushaltsabfällen, eine Anlage zur Trennung und Kompostierung pflanzlicher Abfälle sowie eine Deponie für ungefährliche Abfälle. Umgesetzt werden soll das Vorhaben in der Gemarkung der Dörfer Jana und Gorni Bogrow unweit der Hauptstadt Sofia. Die Anlagen sollen bis Ende 2011 in Betrieb genommen werden.

Während Sofia erst jetzt die ersten Schritte zum Bau einer Abfallverwertungsanlage unternimmt, ging man das Problem in Wien bereits Ende der 1950-er Jahre an. Anstatt den Müll in der Erde zu verscharren, wird dieser in der österreichischen Hauptstadt verwertet oder verbrannt. Zu nennen sei vor allem das berühmte Fernheizwerk Spittelau, das zudem zahlreiche Touristen anzieht. „Ein Vergleich zwischen dem geplanten Sofioter und dem existierenden Wiener Werk ist unangebracht“, behauptet die Biotechnologin Prof. Maria Zlatewa, eine international anerkannte Wissenschaftlerin im Bereich Kompostierung.

„Österreich gehört europaweit zu den Staaten, die ihre Abfallprobleme auf ideale Weise gelöst haben“, sagt Prof. Zlatewa. „In Wien wurde eine thermische Abfallverwertungsanlage, ein Heizwerk, gebaut, eines der ersten in Europa. Zudem entstand in der österreichischen Hauptstadt die modernste Separierungsanlage und das, obwohl die Wiener ihre Abfälle getrennt in acht verschiedene Container entsorgen. In der besagten Anlage werden die biologisch abbaubaren Substanzen separiert. D.h. in der österreichischen Hauptstadt gibt es eine Separierungsanlage, eine Kompostierungsanlage für reine Biomasse sowie ein Heizwerk für alle nicht kompostierbaren Substanzen.“

Auch das Sofioter Projekt enthält Separierungs- und Kompostierungsanlagen. Geplant ist zudem die Herstellung von Biodiesel oder Biomethan. Als Problem erweise sich jedoch die im Vergleich zu westeuropäischen Staaten unterschiedliche Abfallstruktur. Die Abfälle in Bulgarien enthalten 60 bis 70 Prozent Biomasse und Papier. Dafür gibt es eine einfache Erklärung. Ein Großteil der bulgarischen Haushalte kocht selbst, weswegen große Mengen Nahrungsreste entsorgt werden. In Westeuropa beträgt der Biomasse-Anteil an den Haushaltsabfällen lediglich 5 bis 10 Prozent. Um einen effizienten Betrieb der geplanten Sofioter Abfallverwertungsanlage zu gewährleisten, müsste diese hauptsächlich auf Kompostierung ausgerichtet sein, empfiehlt Prof. Zlatewa. Eine vorwiegend thermische Abfallverwertung würde Leben und Gesundheit der Sofioter sowie die Umwelt gefährden. Bei der Verbrennung von Biomasse werden Dioxine und Furane freigesetzt, stark organische Gifte, die Krebserkrankungen verursachen.

„International anerkannte Experten für Klimawandel haben herausgefunden, dass die thermische Abfallverwertung der Natur die größten Schäden zufügt“, erklärt Prof. Zlatewa. „Bei der Verbrennung von Biomasse entsteht gefährliches Kohlendioxid. Studienergebnissen zufolge, müsste man, falls bis 2050 die gleichen Mengen an Abfällen, Wald und Kohle verbrannt werden wie bisher, organische Substanzen von anderen Planeten einführen, damit die Erde weiter bewohnbar bleibt.“

Inwieweit das verantwortliche Projektteam für die Sofioter Abfallverwertungsanlage die Empfehlungen von Experten wie Prof. Zlatewa ernst nimmt, wird sich künftig zeigen. Eines ist jedoch sicher – unser aller Zukunft hängt von unserem umweltbewussten Lebensstil ab. So lancieren Ökologen etwa die Idee, die Abfälle als Energieträger zu nutzen.

„Aus Abfall kann Wasserstoff gewonnen werden, bei dessen Verbrennung einzig Wasser zurückbleibt. Ein weiterer Teil der Abfälle könnte zu organischem Kompost verarbeitet werden. Mit dem Kompost generieren wir die organischen Substanzen, die dem Boden ständig entzogen werden. Bei dem Tempo wie bisher, könnte sich die Hälfte unseres Planeten in eine Wüste verwandeln, denn der Mangel an organischen Substanzen führt zur Verwüstung. Nicht zu vergessen die Bedeutung von Kalzium für die Biovielfalt des Planeten.“ 

Übersetzung: Christine Christov
По публикацията работи: Krassimir Martinow


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