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Das Schicksal des Referendums über den Euro bleibt ungewiss

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Die Mehrheit im Parlament in der Gestalt der Koalitionen GERB-SDS und PP-DB hat den Vorschlag des Initiativkomitees abgelehnt, ein nationales Referendum über die Beibehaltung des bulgarischen Lew als einzige Landeswährung für die nächsten 20 Jahre abzuhalten. Laut dem Gesetz (über die direkte Beteiligung der Bürger an der Staatsgewalt) ist die Volksversammlung verpflichtet, einen Beschluss über die Durchführung eines Referendums zu fassen, wenn der Vorschlag von einem Initiativkomitee mit einer Petition eingereicht wird, die die Unterschriften von mindestens 400.000 stimmberechtigten bulgarischen Bürgern enthält und den Anforderungen des Gesetzes entspricht. Als „Wasraschdane“ im April den Vorschlag des Initiativkomitees mit ca. 600.000 Unterschriften über die Durchführung eines Referendums zur Frage „Sind Sie damit einverstanden, dass der bulgarische Lew bis 2043 die einzige offizielle Währung in Bulgarien sein soll?“ einreichte, ergab die anschließende Überprüfung, dass mehr als 470.000 der Unterschriften gültig sind. Und obwohl die 400.000-Stimmen-Hürde überwunden wurde, lehnte die Parlamentsmehrheit den Vorschlag mit der Begründung ab, die Frage des Referendums würde nicht dem Gesetz entsprechen. Nach der Abstimmung kamen jedoch Zweifel daran auf, wofür die Abgeordneten tatsächlich gestimmt haben.

„Wasraschdane“ vertritt die Meinung, dass im Parlament über den Entscheidungsentwurf des Rechtsausschusses abgestimmt wurde, der eine Woche zuvor das Referendum abgelehnt hatte, weil es dem EU-Beitrittsvertrag Bulgariens widerspreche. Indem sie diesen Entscheidungsentwurf verworfen haben, haben die Abgeordneten das Referendum faktisch zugelassen. In diesem Zusammenhang appellierte der Vorsitzende von „Wasraschdane“ Kostadin an Präsident Rumen Radew, das Referendum anzusetzen und die Angelegenheit an das Verfassungsgericht zu verweisen.

Diejenigen, die gegen die Entscheidung votiert haben, wiesen jedoch die Forderungen von „Wasraschdane“ zurück und erklärten, dass im Plenarsaal über einen Entscheidungsentwurf zur Durchführung eines Referendums abgestimmt worden sei.

„Wenn wir das Gesetz sorgfältig lesen, haben die Abgeordneten über die Vorschläge eines parlamentarischen Ausschusses abzustimmen“, erklärte Natalija Kisselowa, Dozentin für Verfassungsrecht, gegenüber dem BNR. „In der Regel muss der entsprechende Ausschuss ein positives Projekt zur Entscheidung vorlegen. Im Falle des Referendums über den Lew hat der Ausschuss einen negativen Entscheidungsentwurf vorgeschlagen, während die Vorsitzende der Sitzung, Rossiza Kiroea, zur positiven Abstimmung aufrief. Aus diesem Grund herrscht Uneinigkeit, wofür die Volksvertreter gestimmt haben. Es liegt ein Verstoß gegen die Regeln für die Durchführung der Abstimmung vor, da diese auf dem Entscheidungsentwurf des Ausschusses hätte basieren sollen. Das ist jedoch kein Grund zu der Annahme, dass sie gegenteilig gestimmt hätten. Und es kann auch keine erneute Abstimmung geben.“

Dozentin Kisselowa erkärte, dass jemand ein Projekt erneut einreichen müsse, damit es zu einer neuen Abstimmung kommt. Der Präsident hat auch nicht die Möglichkeit, einen Termin für das Referendum festzulegen, da die Volksversammlung keine positive Entscheidung diesbezüglich getroffen hat. Gleichzeitig erlauben ihm die Verfassung und das Verfassungsgericht, eine politische Position zu beziehen. In diesem Sinne könnte er eingreifen. Neben dem Präsidenten kann das Verfassungsgericht auch von einem Fünftel der Volksvertreter angerufen werden, denn:

„Das Initiativkomitee hat nicht das Recht, das Verfassungsgericht anzurufen, was eine der sogenannten „demokratischen“ Bestimmungen des Gesetzes ist“, erklärte der Politikwissenschaftler Tontscho Kraewski in einem Interview für den BNR. „Das können die Abgeordneten tun. Das Verfassungsgericht wird jedoch nicht in der Lage sein, sich mit der Frage zu befassen, ob die Beibehaltung des bulgarischen Lew für die nächsten 20 Jahre eine Verletzung einer spezifischen Verpflichtung darstellt, die Bulgarien in einem internationalen Vertrag eingegangen ist oder nicht. Im Parlament, wo das geklärt werden musste, wurde nicht die konkrete Verpflichtung mit dem konkreten Wortlaut angeführt. Es wurde auch nicht die konkrete Art der Verletzung genannt, was von einem Mangel an Argumenten zeugt.“

Worten von Dozentin Kisselowa zufolge wirft das Referendum zwei wichtige Fragen auf: „für“ und „gegen“ den Euro und „für“ und „gegen“ die direkte Demokratie und das ist es, was in der Debatte im Rechtsausschuss und im Plenum wertvoll sei:

„Die Befürworter dieses Referendums setzen ein Gleichheitszeichen zwischen beiden“, kommentierte Dozentin Kisselowa. „Das Problem de facto besteht darin, ob die Bürger zu bestimmten Fragen befragt werden sollten und in der Angst der Volksvertreter, eine schallende Ohrfeige zu bekommen, wenn sie eine Frage zum Bürgerentscheid formulieren. Das ist der Grund, warum ein Gleichheitszeichen zwischen der Frage über die Beibehaltung des Lew und der Durchführung eines Referendums gesetzt wird.“

Ähnlich äußerte sich der Politikwissenschaftler Tontscho Kraewski, der einen historischen Rückblick auf die bisher durchgeführten Volksabstimmungen gab und darauf hinwies, dass sich der Gesetzgeber mit der Ausarbeitung dieses Gesetzes in die Lage gebracht hat, zu entscheiden, ob das Referendum in den Geltungsbereich des Gesetzes fällt oder nicht. Seinen Worten zufolge bedeute dies „eine politische Entscheidung, die obligatorisch mit juristischen Argumenten ummantelt ist, was eine Fortsetzung der sehr langen Tradition darstellt, Volksbefragungen als hochpolitisches Instrument nur dann einzusetzen, wenn die Regierung stark, überzeugt und sicher von sich selbst und dem Ergebnis der Befragung ist.“

Übersetzung: Rossiza Radulowa

Fotos:  BGNES, BNR




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